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Rechtsberatungsgesetz

Das Rechtsberatungsgesetz (vom 13.12.1935!) war der breiten Öffentlichkeit bis vor kurzem so gut wie unbekannt und erschien auch einer näheren Beschäftigung nicht wert. Allerdings ist den Juristen schon bei seiner Schöpfung ein bemerkenswertes Kunststück gelungen, nämlich: mit einer minimalen Paragraphenanzahl größtmögliche Unklarheit herzustellen und damit rechtspolitische Bedenklichkeiten zu verdunkeln.

Worum es unter anderem geht, lässt sich schon an einer einfachen Frage verdeutlichen: Kann man dem Bürger verwehren, sich in Rechtsfragen kostenlos von seinem Freund oder Nachbarn beraten zu lassen? Die Antwort: Wenn er dies tut, wird zwar nicht er bestraft, wohl aber nach dem Rechtsberatungsgesetz sein Freund. Dies im Jahre 1935 eingeführte Verbot ist weltweit einzigartig.

Erst eine aus dem Kreis der Mitglieder des Forum Justizgeschichte erhobene Verfassungsbeschwerde hat die Öffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam gemacht und den Gesetzgeber aktiv werden lassen. Das Bundesjustizministerium hat für Mitte 2004 den Entwurf einer Neuregelung angekündigt, die das Verbot der altruistischen Rechtsberatung voraussichtlich völlig beseitigen und auch die bisherigen berufsrechtlichen Restriktionen erheblich lockern wird. Gleichfalls hellhörig geworden ist die Europäische Union. Im Februar 2004 hat die Europäische Kommission insbesondere die Bundesrepublik aufgefordert, bis spätestens 2005 derartige Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen.

Der Vorgang macht dreierlei deutlich:

  1. Die Nachwirkungen der NS-Zeit ragen weiter in die Bundesrepublik hinein, als bislang angenommen. In kritikloser Übernahme der „h. M.“ (herrschende Meinung) haben viele Richter und Rechtswissenschaftler eine gesetzliche Regelung – das Verbot der unentgeltlichen Rechtsberatung – vehement verteidigt und rigoros praktiziert, die wohl eindeutig den Stempel der nationalsozialistischen Entstehung trägt.
  2. Die Rechtsgeschichte ist nicht irrelevant für den Umgang mit dem heutigen Recht. Doch ist die juristische Zeitgeschichte, von den Bemühungen weniger Professoren abgesehen, aus einer zunehmend rein rechtstechnokratisch ausgerichteten Juristenausbildung nahezu vollständig ausgeklammert, ebenso wie Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie.
  3. Die Beschäftigung mit der NS-Justiz schärft den Blick auch für sonstige Defizite des Rechts und der Juristen. Am Beispiel der Justizvergangenheit lässt sich eindrucksvoll die Gefahr verdeutlichen, dass Juristen kritiklos nach problematischen Gesetzen entscheiden und in vorauseilendem Gehorsam mit einer „Schere im Kopf“ arbeiten, dabei das Recht im Dienst rechtsfremder Interessen zum Nachteil der Bürger instrumentalisieren.
  4. Was für das Erfordernis einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit zutrifft, gilt auch im Bereich der Rechtsberatung: Das Recht ist eine viel zu wichtige Sache, als dass man es den Juristen allein überlassen darf.