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Textlastigkeit, um Neukonzeption zu begründen

Eine Ausstellung wird schlechtgeredet

Eine Ausstellung wird schlechtgeredet, um von der Kritik daran abzulenken, dass der Gedenkstättenleiter sie nicht fertiggestellt hat

In der Sitzung der ominösen „Arbeitsgruppe Wolfenbüttel“ stellte der Gedenkstättenleiter die überraschende Behauptung auf, „von Beginn an in der Rezeption durch die Besucher (habe sich) die Textlastigkeit der Ausstellung als ein Manko herausgestellt, selbst beim juristischen Fachpublikum“.

Diese Kritik an der von dem Gedenkstättenleiter selbst miterarbeiteten Ausstellung ist völlig neu. Insbesondere in den zahlreichen an die Eröffnung der Ausstellung anschließenden Sitzungen der Kleinen Kommission hat er derartiges nie zur Sprache gebracht. Ein Hinweis auf eine mögliche Überforderung der Besucher war vor allem auf den vielen Kommissionssitzungen zu erwarten, in denen anhand der Erfahrung mit der Basisausstellung über Inhalt, Umfang und Anzahl der für die beiden Wanderausstellungen vereinbarten Texte gründlich diskutiert wurde. In den vielen Kommissionssitzungen wurde sogar einvernehmlich, ohne irgendwelche Bedenken des Gedenkstättenleiters, eine durchschnittliche Textmenge für die Schautafeln der Wanderausstellungen festgelegt. Die entsprechenden Zahlen hat der damalige Stiftungsgeschäftsführer notiert und zu den Akten genommen.

So schwer eine solcher Vorwurf auch wiegt: Dem Wolfenbütteler Gedenkstättenleiter kann der Vorwurf nicht erspart bleiben: Sei es in dem Sinn einer „Flucht nach vorn“ oder aus anderen undurchsichtigen Beweggründen, hat er die Behauptung von der „Textlastigkeit“ frei erfunden.

Erschwerend kommt hinzu, dass dem Gedenkstättenleiter die angebliche Klage der Ausstellungsbesucher über eine „Textlastigkeit“ nicht allein in der momentanen Verlegenheit, sich in der Sitzung vom 10. März 2009 irgendwie aus der Verantwortung für seine jahrelange Untätigkeit zu stehlen, spontan eingefallen ist, sondern dass er sie in dem von ihm selbst gezeichneten Protokoll vom 10. März ohne relativierenden Zusatz aufrecht erhalten hat. Und weiter: Gegenüber der Wolfenbüttler Zeitung hat er zur Begründung der von der Fachkommission am 9.4.2010 beschlossenen „Neugestaltung“ der Ausstellung behauptet, die Ausstellung sei „derzeit noch sehr textlastig“ (WZ v. 17.4.2010).

Die Frage nach dem mit der wahrheitswidrigen Behauptung verfolgten Zweck ist unvermeidlich. Der weitere Ablauf der Dinge legt einen Verdacht nahe: Bei der Besichtigung der Gedenkstätte am 9. April 2010 stand die Fachkommission vor der Frage, wie man mit der Kritik Dr. Kramers an den Lücken in den Aktenschubern umgehen solle. Sollte mit der Behauptung einer „Textlastigkeit“ die vorhandene Ausstellung pauschal abgewertet werden, um so den Beschluß der Fachkommission zu einer Abwicklung der Ausstellung und einer „Neukonzeption“ vorzubereiten? Jedenfalls hat die Fachkommission bei ihrer kurzen, erstmaligen(!) Besichtigung der Ausstellung am 9. April 2010 überraschend die Abwicklung der bisherigen Ausstellung und eine „Neukonzeption“ beschlossen, dies ohne vorherige Unterrichtung ihres krankheitshalber verhinderten Vorsitzenden Professor Joachim Perels. Eine Diskussion meiner Kritik an den Säumnissen des Gedenkstättenleiters, insbesondere an den fehlenden Täterbiographien und der heimlichen Entfernung des „Täterturms“ – also eine Prüfung der einzigen wirklichen Mängel der Ausstellung – ersparten sich die leichtgläubigen Fachkommissionsmitglieder der Einfachheit halber.

 

Helmut Kramer
November2010