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An Mehdorn 21.2.06

21.02.2006

Forum Justizgeschichte


An den
Vorsitzenden des Vorstands der
Deutschen Bahn AG
Herrn Helmut Mehdorn
Potsdamer Platz 2
10785 Berlin

 

Sehr geehrter Herr Mehdorn!

Am 28. Mai 2006 wird der neue Hauptbahnhof in Berlin eröffnet, nach den Bekundungen der Deutschen Bahn der größte und modernste Bahnhof in Europa. Aus diesem Anlass richtet sich der Blick auf die lange Geschichte der Deutschen Bahn und ihres Vorgängerbetriebes, der Deutschen Reichsbahn. Dabei darf das dunkelste Kapitel in dieser Geschichte, die Beteiligung der Reichsbahn am Holocaust, nicht verschwiegen werden. Ohne den tatkräftigen Beitrag der europäischen Eisenbahngesellschaften mit der herausgehobenen Position der Reichsbahn wäre die reibungslose Deportation von 3 Millionen europäischer Juden in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager nicht möglich geworden. In seinem Film „Shoah“ hat Claude Lanzmann diesen Vorgang eindrucksvoll und für jeden Betrachter unvergesslich ins Bild gesetzt. Leider hat sich die Deutsche Bahn – anders als die französische Eisenbahngesellschaft SNCF - dieser, ihrer Schande bisher noch nicht in angemessener Weise gestellt. Dabei ist ihr auch das Versagen der Justiz zugute gekommen, die nicht in der Lage war, einen in der Folge des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses geplanten Reichsbahnprozess durchzuführen.

Wie Sie wissen, haben Beate und Serge Klarsfeld die Ausstellung „11 000 jüdische Kinder – Mit der Reichsbahn in den Tod“ erstellt, die auf 20 größeren Bahnhöfen in Frankreich gezeigt wurde. Die Deutsche Bahn hat es bisher leider abgelehnt, dem französischen Beispiel zu folgen. Es ist zwar erfreulich, dass die Ausstellung – wie man hört – in das Nürnberger Eisenbahn-Museum aufgenommen werden soll. Dort wird aber nicht das breite Publikum erreicht, das eine solche Ausstellung verdient.

Die Bahn sollte die Chance nutzen, aus Anlass der Eröffnung des Hauptbahnhofs ein Signal zu setzen. Wenn sich selbst der Deutsche Fußballbund im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2006 und neuerdings auch die Dresdener Bank mit ihren Verstrickungen in das NS-System auseinandergesetzt haben, darf man von der Deutschen Bahn erwarten, dass sie ihre Tatbeteiligung an dem größten Massenverbrechen aller Zeiten endlich gründlich aufarbeitet. Ein Anfang könnte die Präsentation der Klarsfeldschen Ausstellung im Berliner Hauptbahnhof am 28. Mai 2006 mit einer längeren Laufzeit, mindestens jedoch bis zur Beendigung der Weltmeisterschaft, sein. Die – schwer nachvollziehbare – Begründung für die bisherige Ablehnung, dass auf den Bahnhöfen für diese Ausstellung kein Platz vorhanden sei und auch keine Mittel für die Bewachung zur Verfügung stünden, kann selbstverständlich für den Hauptbahnhof angesichts seines Volumens und der gewaltigen Kosten für seine Errichtung nicht gelten.

Wir bitten Sie deshalb dafür Sorge zu tragen, dass am 28. Mai 2006 gleichzeitig mit der Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs auf dessen Gelände die Ausstellung „11.000 jüdische Kinder – Mit der Reichsbahn in den Tod“ eröffnet wird.

Mit der Bitte um eine Antwort in angemessener Zeit verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

(gez. Dr. Weber)