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Bekennen statt denken

Bekennen statt denken

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat die Öffentlichkeit aufgefordert, sie solle sich „zum Krieg bekennen“. Bekenntnisse sind etwas Religiöses oder Weltanschauliches. Man bekennt zum Beispiel den Glauben an etwas Letztgültiges, Immerwahres, Ewigwährendes, Unhinterfragbares. An solchen Vorgaben zu zweifeln und das Bekenntnis zu verweigern, gilt zumindest als ungehörig. Mit dem abverlangten Bekenntnis zum Krieg, sogar zu dem verfassungs- und völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan, möchte der Wehrbeauftragte über die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnende, weit überwiegende Bevölkerungsmehrheit eine Art Denkverbot verhängen.

Aber selbst die großen Religionen beschränken die Reichweite eines Glaubensbekenntnisses auf Elementares. Darüber, was das Glaubensbekenntnis dem Gläubigen im einzelnen abverlangt, darf gestritten werden.

Entsprechendes gilt für die Prinzipien des Grundgesetzes. Unsere Politiker und leider auch das Bundesverfassungsgericht (zuletzt in seiner Entscheidung vom 31.7.2009) haben es allerdings verstanden, sogar einige elementare Grundrechte zu relativieren. Man denke nur an das Asylrecht und an das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung.

Eine Verpflichtung zur Kriegführung kennt das Grundgesetz nicht. Ein Bekenntnis zum Krieg wäre nichts wesentlich anderes als das, was hiesige Kriegspropaganda der Gegenseite in Afghanistan unterstellt: Bereitschaft zum „Heiligen Krieg“.

Den verstärkten Truppeneinsatz in Afghanistan begründen Politiker und dienstwillige Kommandeure auch mit der Parole, die Bundeswehr müsse „zeigen, daß sie kämpfen kann“. Gibt es bei einer solchen Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Fortsetzung des Afghanistankrieges einen logischen Unterschied zu den Terroristen in Nordirland, die angesichts der jahrelang bestätigten Aussichtslosigkeit ihres Tuns die Attentate nur noch als Existenzbeweis begreifen?

Ein Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit, besonders gegen Gewaltanwendung in internationalen Konflikten, hat der heutige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe übrigens selbst abgelegt, als er sich einstmals als Kriegsdienstverweigerer anerkennen ließ.

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Helmut Kramer in: Ossietzky 17/2009, 22.08.2009, Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft