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Urteil AG BS ./. Helmut Kramer 1999

Urteil des Amtsgerichts Braunschweig gegen Helmut Kramer vom 13. Oktober 1999

Amtsgericht Braunschweig
Geschäfts-Nr: 2 OWi 701 Js 9841/99

Urteil

In der Bußgeldsache gegen
den Pensionär Dr. Helmut Kramer,
geboren am 30.03.1930,
wohnhaft Herrenbreite 18a, 38302 Wolfenbüttel, verheiratet

wegen Ordnungswidrigkeit

Das Amtsgericht Braunschweig hat in der Sitzung vom 13. Okt. 1999, an der teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht Lippmann
Staatsanwalt Meyer-Ulex als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwältin Barbara Kramer als Verteidigerin
Höll, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

für Recht erkannt:

Der Betroffene wird wegen unerlaubter geschäftsmäßiger Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten zu einer Geldbuße von 600,00 DM verurteilt. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 1 Abs.1, 8 Abs. 1 Nr. 1 des Rechtsberatungsgesetzes, 46 OWiG, 465 StPO.

Gründe:

Der verheiratete Angeklagte hat drei erwachsene Kinder und ist seit April 1995 Pensionär. In dem gegen Herrn Rainer Scheer gerichteten Bußgeldverfahrens wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (Aktenzeichen 701 Js 38313/96} ist der Betroffene auf seinen Antrag durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 6. Dez. 1996 als Verteidiger des damaligen Betroffenen Scheer zugelassen worden. In diesem Verfahren hat der Betroffene den damaligen Betroffenen Scheer in der mehrtägigen Hauptverhandlung im Mai 1998 vor dem Amtsgericht Braunschweig sowie im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig vertreten, ohne über eine entsprechende Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz zu verfügen.

Bei dieser Vertretung handelte es sich auch nicht um einen Einzelfall. Vielmehr hatte der Betroffene bereits in der Vergangenheit, z.B. in dem beim Landgericht Braunschweig anhängigen Wiederaufnahmeverfahren Erna Wazinski, in Straf- und Disziplinarverfahren gegen Richter, welche an der Richterblockade vom 12. Jan. 1987 teilgenommen bzw. als Unterzeichner einer Anzeige in der Zeitung "Zeit" vom 5. Feb.87 fungiert und in dem Verfahren gegen die Richterin Edda Frerker wegen Rechtsbeugung umfangreiche rechtsbesorgende bzw. rechtsberatende Tätigkeiten, z.B. durch die Anfertigung von Schriftsätzen entfaltet. Der Betroffene beabsichtigt, gleichartige Tätigkeiten auch in Zukunft auszuüben.

Der Betroffene räumt den Sachverhalt uneingeschränkt in allen Punkten ein und räumt weiter ein, damit "unter Zugrundelegung der sogenannten herrschenden Meinung" (wie er ausführt) gegen Artikel 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes verstoßen zu haben Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, jedoch in jedem ihm vorgeworfenen Fall unentgeltlich gehandelt zu haben und alles ohne jeglichen Aufwendungsersatz gemacht zu haben. Unentgeltliche Rechtsberatung sei jedoch als soziale Hilfeleistung nicht tatbestandsmäßig im Sinne des Begriffs der Geschäftsmäßigkeit. Das Rechtsberatungsgesetz sei seiner Meinung nach rechtsstaatswidrig und damit verfassungswidrig. Er billige jedem Menschen zu, rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeiten auszuüben. Die Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes seien ein Relikt aus der NS-Zeit. Die herrschende Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes unterbinde eine vom staatlichen Interesse unabhängige Verteidigung und sonstige Rechtsberatung, auch dann, wenn dies lediglich in wenigen Einzelfällen geschehe.

Er wolle auch Elke Steven, die Bundeswehrsoldaten in der Zeitung aufgefordert habe, die Teilnahme am rechtswidrigen Krieg in Jugoslawien zu verweigern, und gegen die deshalb ein Strafbefehl ergangen sei, in einer Hauptverhandlung verteidigen. Er sei von Frau Steven um Rechtsrat gebeten worden. Er sei bereit, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Menschen, die sich in Rechtsnot befänden (insbesondere Pazifisten) zu helfen.

Diese Einlassung vermag den Betroffenen nicht zu entlasten.

Bei Beurteilung der Frage "Geschäftsmäßigkeit" der Rechtsbesorgung orientiert sich die herrschende Meinung und die ständige Rechtsprechung an der inneren Einstellung des Täters. Danach handelt geschäftsmäßig, wer beabsichtigt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen. Der Betroffene ist im vorliegenden Fall nicht erstmals tätig geworden, hat seine Bereitschaft bekundet, auch im Strafverfahren gegen Frau Steven rechtsbesorgend tätig zu werden und hat ausdrücklich erklärt, bereit zu sein, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Menschen in Rechtsnot zu helfen. Auch Unengeltlichkeit steht nicht im Widerspruch zur Geschäftsmäßigkeit, das ergibt sich bereits aus Artikel 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes. Auch der Umstand, dass der Betroffene im Verfahren 4 OWi 701 Js 38313/96) gegen Rainer Scheer durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 6. Dez. 1996 als Verteidiger zugelassen worden ist, steht nicht im Widerspruch zum Rechtsberatungsgesetz. Nach herrschender Rechtsprechung wird das allgemein bestehende Verbot des Artikel 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz nicht durch eine Zulassung als Verteidiger gemäß § 138 Abs. 2 StPO beseitigt.

Eine Verfahrenswidrigkeit des Rechtsberatungsgesetzes ist nicht erkennbar Antisemitische Teile des Gesetzes sind zwischenzeitlich entfernt worden; seit Bestehen der Bundesrepublik sind mehrere Regelungen des Gesetzes geändert worden. Es sind in der Vergangenheit viele Entscheidungen von Oberlandesgerichten zu Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes ergangen, ohne dass jemals Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rechtsberatungsgesetzes aufgetaucht sind. Der Betroffene, der erklärt hat, dass bei Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes unter Berücksichtigung der herrschenden Meinung und Rechtsprechung eine Verurteilung erfolgen müsse, will das Gesetz nach Ausschöpfung des Rechtsweges auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts bringen.

Der Betroffene hat sich nach alledem der unerlaubten geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten (Artikel 1 § 1 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. I des Rechtsberatungsgesetzes) schuldig gemacht.

Der Betroffene ist bisher unbestraft. Unter Berücksichtigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände erschien eine Geldbuße in Höhe von 600,00 DM tat und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 OWiG, 465 stPO.

Lippmann, Richter am Amtsgericht